Gendern – wie geht das?

Liebe Leser*innen und Lesende, habt ihr auch den Überblick über „geschlechtergerechte“ Formen verloren? Während der Arbeit im Carl Duisberg Centrum muss ich oft E-Mails an unsere Klassen schreiben. Jedes Mal frage ich mich, ob ich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer als Teilnehmer/innen, TeilnehmerInnen oder doch besser als Teilnehmende ansprechen soll. Auch meine Kolleg:innen entscheiden sich für ganz unterschiedliche Lösungen. Deshalb heute meine Frage: Gendern – wie geht das eigentlich richtig?

Die Entstehung

Bevor es um die verschiedenen Formen geht, kurz ein kleiner Exkurs zur Geschichte des Genderns: Wo kommt es her und seit wann machen wir es?

Mit dem Anwachsen der Frauenbewegung in den 1970er Jahren kam in Deutschland die feministische Linguistik auf. Sie untersucht sprachliche Elemente, die die maskuline Form zur Norm machen. Allen voran geht es um das „generische Maskulinum“ – eine männliche Form, die für beide Geschlechter verwendet wird. Ein Beispiel: Die Kunden können zwischen 9 und 18 Uhr einkaufen. Das männliche Wort „Kunden“ umfasst hier ebenfalls die Kundinnen und steht auch in zusammengesetzten Wörtern wie „Kundenbereich“ oder „Kundenservice“ stellvertretend für Männer und Frauen. Selbst wenn es in dem Geschäft mehr Kundinnen als Kunden gibt, dominiert in der Sprache die männliche Form. 

Um Frauen sprachlich sichtbar zu machen, gab es seit den 1980er Jahren in Deutschland viele Initiativen, Richtlinien und Gesetze. Die Veränderung der Personenbezeichnungen in Gesetzestexten (im sogenannten „Amtsdeutsch“) hatte dabei eine große Wirkung.

Heute sind geschlechtergerechte Bezeichnungen weit verbreitet. Sie werden aber auch neu herausgefordert durch die seit 2018 anerkannte Geschlechtsoption „Divers“, die sich weder als männlich noch als weiblich definiert.

Die Regeln

Der Duden stützt sich bei diesem Thema auf die amtlichen Regeln des deutschen Rechtschreibrats. In der Anrede sollten beide Geschlechter genannt werden:

- Liebe Leserinnen und Leser

Als Kurzformen können verwendet werden:

- Leserinnen/Leser

- Leser/-innen – (auch wenn die männliche Form verkürzt werden muss: Kolleg/-innen)

- Leser(innen) – (Diese Form gilt allerdings heute bereits als veraltet.)

Diese Schreibweisen bestehen jedoch nur aus der männlichen und weiblichen Form und schließen andere Geschlechtsidentitäten nicht mit ein. Neben den amtlichen Regeln listet der Duden aber noch folgende, existierenden Schreibweisen auf und betont, dass es keine feste Norm gibt:

- Leser/innen

- LeserInnen

- Leser*innen

- Leser:innen

- Leser_innen

Der Doppelpunkt :, der Unterstrich _ und der Asterisk * gelten dabei als Platzhalter für diverse Geschlechteridentitäten. Die Lücke symbolisiert den Raum für alle Geschlechter jenseits der Binarität von Mann und Frau und das Sternchen steht durch seine in alle Richtungen zeigenden Zacken für Geschlechtervielfalt. Zurzeit scheint sich die Lösung mit dem Asterisk durchzusetzen.

Der Duden erkennt also viele Schreibweisen als weit verbreitet an und will in seinen Online-Artikeln zum Thema „Mut machen, eigene Ideen auszuprobieren“. Dafür schlägt er viele weitere geschlechtsneutrale Formulierungen vor wie z. B.:

- Partizip I: die Teilnehmenden, die Lernenden …

- Partizip II: die Verheirateten, die Genesenen …

- geschlechtsneutrale Begriffe: Personen, Mitglieder …

- Umformungen: Rednerpult -> Redepult …

- wir-Form: Wir müssen (statt man muss/die Mitarbeiter müssen) …

Zusammenfassung

Liebe Leserinnen und Leser, mit der Doppelnennung und der Kurzform Leser/-innen seid ihr also auf der sicheren Seite und folgt den Regeln des Rechtschreibrats. Allerdings schließt ihr mit diesen Schreibweisen andere Geschlechtsidentitäten neben Mann und Frau aus.  Letztendlich sind der Kreativität aber keine Grenzen gesetzt. Wie geht also gendern richtig? Indem wir uns bemühen, geschlechtergerecht zu formulieren und sprachlich markieren, dass es mehrere Geschlechter gibt. Denn Sprache formt auch unsere Realität.

Für Weiterlesende, Interessent_innen und Interessierte:

https://www.duden.de/rund-um-die-sprache/sprache-und-stil/Gendern